Autor:

Dipl.-Ing. René Fuchs 2020,  Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger (IHK)

Bestellungsgebiet: Schimmelpilze und Schadstoffe in Innenräumen

Sachverständigenbüro Dipl.-Ing. René Fuchs

Ihr Baubiologie-Partner für gesunde Innenraumluft

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Künstliche Mineralfasern (KMF) in Dämmungen

Arten, Anwendungen, mögliche Gesundheitsgefährdungen, Sanierungsbedarf oder Verbleib

Einteilung und Einsatzgebiete

Aufgrund chemischer Zusammensetzung, Herstellung und Struktur  unterscheidet man zwischen

  • Glaswolle
  • Steinwolle
  • Schlackenwolle
  • Endlosfasern
  • Keramikfasern.

Die Mineralwollprodukte werden als Hitze- oder Schallschutz, im Wärmeschutz und Brandschutz in verschiedenen Bereichen eingesetzt: Als gebundene Faserplatten in Decken, Leichtbauwänden, Fußbodenaufbauten, Schnüre, Spritzisolierung, aber auch als Faseranteile in Kunststoffen, Gipsplatten, Faserzementplatten (Beispielabbildungen siehe Anhang).

Seit Anfang der 1990er Jahre hat eine Neubewertung und Einstufung alter Mineralfaserdämmstoffe stattgefunden. Seit 2000 existiert ein Herstellungs- und Verwendungsverbot für „alte Mineralwolle“ gemäß GefahrstoffVO.

Als „alte Mineralwollprodukte“ werden die vor 1996 eingebauten KMF eingestuft sowie alle Mineralwollprodukte, über die es keine Informationen zum Einbaujahr oder Zusammensetzung gibt. Diese alten Produktfasern sind lungengängig, biobeständig. Sie werden nach TRGS 905 als krebserzeugend bewertet. Eine unkritische Konzentrationsschwelle kann nicht festgelegt werden. Die Fasermaterialien können nach ihrem Kanzerogenitätsindex (KI) wie folgt unterschieden werden:

  • KI < 30: Einstufung in K2(krebserzeugend)
  • KI > 30 und < 40: Einstufung in K3(krebsverdächtig)
  • KI > 40: keine Einstufung als krebserzeugend

Anders als bei Asbest gibt es jedoch für Mineralwollprodukte keine generelle Ermittlungs- oder Bewertungspflicht und keine Einstufung der Sanierungsbedürftigkeit von alten Dämmungen, wenn diese sachgerecht eingebaut sind und keine Faserverfrachtungen in die Innenräume stattfinden.

Unkritischere, neuere KMF-Materialien können anhand des RAL-Gütezeichens „Erzeugnisse aus Mineralwolle“ (RAL-GZ 388) auf der Verpackung identifiziert werden.

Risiko von Faserfreisetzungen bei verschiedenen Arbeiten

Vor Umbau, Abriss oder anderen baulichen Eingriffen in die Gebäudestruktur sollten Gefahrstoffe ermittelt werden. Hierzu sind der Bauherr gemäß Baurecht und Abfallrecht verpflichtet sowie das bauausführende Unternehmen nach Arbeitsschutzrecht und Gefahrstoffrecht.

Auch kleinere Eingriffe, wie das z.B. Einziehen neuer EDV-Kabel über abgehängten Decken oder die Nachrüstung von Brandmeldern an älteren abgehängten Decken mit aufliegender Mineralfaserdämmungen kann zu Faserfreisetzungen und Gefährdungen von Ausführenden und näherer Umgebung führen. Es gelten auch für diese Arbeiten die vorgenannten Regelwerke

Aufgewirbelte faserhaltige Baustäube können schnell zu Schleimhautreizungen und anderen Beschwerden in angrenzenden Gebäudebereichen führen. Eine Erkundung und Bewertung der vorhandenen Dämmmaterialien und eine sorgfältige Planung von Arbeiten an alten Mineralfaserdämmungen ist daher immer zu empfehlen.

Auf Basis verschiedener Untersuchungen ergeben sich folgende Risikoabschätzungen für ältere KMF-Dämmmaterialien:

  • Mineralfaserdämmungen (KMF) verbaut hinter dichten Verkleidungen

In dieser Einbausituation findet unter normalen Raumbedingungen kein Eindringen von signifikanten Fasermengen in den Innenraum statt. Ausnahme ist die Ausführung von Dichtheitsprüfungen mit Blower-Door im Unterdruck. Dann können kurzzeitig erhöhte Faserkonzentrationen auftreten.

  • Mineralfaserdämmungen (KMF) auf teilweise offenen, abgehängten Decken

Bei aufliegenden Dämmungen auf undichten Deckenkonstruktionen ohne Rieselschutz (z.B. Metallpaneeldecken oder Lochblechdecken mit aufgelegten KMF-Dämmmatten) kann bei starken Luftzirkulationen oder Erschütterungen zeitweise eine erhöhte Faserfreisetzung  in die Raumluft stattfinden.

  • Mineralfaserdämmungen (KMF) bei Arbeiten an Decken oder Wänden

Bei unsachgemäßem Umgang mit Dämmmaterialien (Umbau- oder Instandhaltungsarbeiten) kann es kurzzeitig zur Faserfreisetzung  hohen Faserkonzentrationen kommen. Im Vergleich zu Asbestfasern  sedimentieren künstliche Mineralfasern aber relativ schnell und es kommt es in der Regel innerhalb weniger Stunden wieder zu einer Normalisierung der Raumluftkonzentrationen. Sedimentierte Fasern müssen durch eine mehrstufige Reinigung entfernt werden.

Wenn von einer kritischen Fasereinstufung ausgegangen werden muss, sind die Ersatzstoff-, Anzeige- und Überwachungspflichten nach Anhang V Nr. 7 (1) GefStoffV zu beachten und die Schutzmaßnahmen der TRGS 521 einzuhalten. Die Ermittlungspflicht, ob es sich bei den Produkten um kritische faserförmige Produkte handelt, liegt beim Bauherrn. Die Beurteilung der Staub- und Faserfreisetzung und Festlegung der Schutz- und Sicherungsmaßnahmen beim Arbeitgeber der Beschäftigten.

 
Umgang mit kritisch einzustufenden KMF-Produkten

Beim Umgang mit kritischen Faserdämmstoffen sind die Sicherheitsvorschriften der TRGS 521 einzuhalten: Anzeige der Arbeiten bei der Berufsgenossenschaft oder zuständigen Arbeitsschutzbehörde, Durchführung von organisatorischen Schutzmaßnahmen (Abschottungen, Kennzeichnung der Bereiche) und persönlicher Schutzmaßnahmen, Einsatz berufsgenossenschaftlichen oder behördlich anerkannten Arbeitsverfahren oder gegebenenfalls die messtechnische Überprüfung der Einhaltung der Luftgrenzwerte der TRGS 900. Wenn die Arbeiten an den Dämmmaterialien abhängig von der Einbausituation und Arbeitsmethode in höhere Schutzstufen fallen, sind besondere Schutzmaßnahmen bei der Sanierung erforderlich. Bei staubenden Arbeiten sind Schutzmasken und –anzüge zu tragen. Technische Lüftungsmaßnahmen und staubdichte Folienabklebungen sind nicht obligatorisch, können aber helfen den Arbeitsbereich gegenüber den benachbarten Gebäudeteilen abzuschotten und die Luftkonzentration zu reduzieren.

Sollen die Dämmmaterialien nicht wieder eingebaut werden, ist eine staubdichte Verpackung herzustellen. Die Transportbehälter/ Säcke müssen vor dem Transport durch das Gebäude mit Staubsaugern und feucht abgereinigt werden, um eine Faserverschleppung zu vermeiden, sachgerechter Abtransport, Lagerung und Entsorgung sind zu sichern.

Folgende Maßnahmen sind vor/bei Demontagearbeiten erforderlich:

Ermittlungspflicht des Arbeitgebers der ausführenden Firma

Auswahl geeigneter Arbeitsverfahren und einer zugelassener Fachfirma

Anmeldung der Sanierungsarbeiten bei der Arbeitsschutzbehörde

Eingrenzung u. Kennzeichnung des Arbeitsbereiches

Technische Maßnahmen zur Faserstaubminderung

Persönliche Schutzausrüstung (Atemschutz P2, partikeldichte Schutzanzüge)

Staubdichte Abfallverpackung und Kennzeichnung

Nach Abschluss der Arbeiten ist der gesamte Arbeitsbereich sorgfältig mit Staubsaugern und feucht von Faserstäuben zu reinigen. Eine messtechnische Erfolgskontrolle wie bei Asbestsanierungen ist nicht vorgeschrieben, kann jedoch unter dem Aspekt der Vorsorge für die nachfolgenden Gewerke und zur abschließenden Überprüfung der ordnungsgemäßen Sanierungsausführung  erwogen werden.


Richtwerte, Grenzwerte in Raumluft und auf Oberflächen (Nutzerschutz)

Mögliche gesundheitliche Folgeeffekte von KMF-Faserfreisetzungen können sein:

  • Hautreizungen, insbesondere Augenlider, Hals und Nackenbereiche
  • Schleimhautreizungen Augen und obere Atemwege
  • Allergische Reaktionen auf Faserbindemitteln mit Formaldehydausgasungen.

Zur Überprüfung von eventuellen Fasereinträgen aus verbauten Dämmungen, als Umgebungsschutz während laufender baulicher Maßnahmen oder nach Beendigung von Sanierungsarbeiten als vorsorgliche Abschlusskontrolle werden in der Regel ähnliche Messungen vorgenommen wie bei Asbest, eine Kombination von Raumluftfaserkonzentrationsmessungen und Oberflächenbeprobungen bezüglich sedimentierter Faseranteile.

Anhand von Vergleichsmessungen ergeben sich folgende, nicht toxikologisch abgeleitete Konzentrationsbereiche für Raumluftmessungen auf KMF:

  • unauffällige Raumluftkonzentration in Innenräumen < 500 Fasern/m³
  • mäßig auffällige Raumluft in Innenräumen 500- 1000 Fasern/m³
  • deutlich auffällige Raumluft in Innenräumen 500- 1000 Fasern/m³.

Für die Überprüfung von Oberflächensedimentationen werden Abdruckstempel entnommen und elektronenmikroskopisch ausgewertet.

Bewertung von Oberflächenproben auf Fasern nach VDI 3877 Bl. 2:

Kategorie 0:                kein Nachweis von Produktfasern

Kategorie 1:                1 … 100 Produktfasern/cm²

Kategorie 2:                101 … 500 Produktfasern/cm²

Kategorie 3:                > 500 Produktfasern/cm²

Literaturnachweis:
Umweltbundesamt Texte 36/97: Technische Maßnahmen zur Verminderung der Risiken durch künstliche Mineralfasern (KMF) sowie Anforderungen an mögliche Alternativen, Forschungsbericht 101 01 131, UBA-FB 98-036/// Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 905: Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe, Ausgabe April 1995, Bekanntmachung des BMA betreffend die TRGS 905; Bundesarbeitsblatt 10 (1996)/// Umweltbundesamt: Untersuchungen zur Innenraumbelastung durch faserförmige Stäube aus eingebauten Mineralwolle-Erzeugnissen; UBA-Texte 30/94, Umweltbundesamt 1994/// Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 521: Faserstäube Ausgabe Oktober 1996/ Fassung April 1999, Carl Heymanns Verlag Köln/// Länderausschuß für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik LASI: Leitfaden Künstliche Mineralfasern LV 17

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